„Die Europäische Union entfernt sich so von ihren Bürgern; Das kann man den Wählern einfach nicht erklären“, so der Bezirksvorsitzende der Jungen Union Michael Dust.


Die Parteien haben sich vor der Wahl dafür ausgesprochen, Spitzenkandidaten aufzustellen. Die Wähler hatten die Erwartung, dass nach der Wahl auch einer der Spitzenkandidaten Kommissionspräsident wird. Sie können nicht nachvollziehen, weshalb nun plötzlich eine andere Person Kommissionspräsident werden soll, die zuvor nicht einmal für ein europäisches Amt oder Mandat kandidiert hat. Zumal noch am Wahlabend mit breiter Brust verkündet wurde, man habe die Wahlziele erreicht und man sei stärkste Kraft.
Schuld an dieser Misere sind jedoch weniger die aktuellen Akteure, als viel mehr das komplizierte europäische Recht.

Für die Wahl des Kommissionspräsidenten reicht zwar im Europäischen Parlament eine absolute Mehrheit. Manfred Weber hätte also hier seine Mehrheit finden können. Das Europäische Parlament darf sich jedoch nicht selbst einen Kommissionspräsidenten zur Wahl vorschlagen. Der Vorschlag muss aus dem Europäischen Rat kommen. Hier können nicht nur die Mehrheitsverhältnisse völlig andere sein, als im Europäischen Parlament. Der Vorschlag bedarf auch einer qualifizierten Mehrheit. Genauer gesagt, einer doppelt qualifizierten Mehrheit. Für einen Vorschlag müssen 15 der 27 Mitgliedsstaaten votieren. Zudem müssen die zustimmenden Mitgliedsstaaten mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Eine Person die zwar mit 14 Mitgliedsstaaten eine absolute Mehrheit hätte oder die ggf. sogar mit der Zustimmung aus 23 von 27 Mitgliedsstaaten nur 64 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentiert wüsste, könnte nicht dem Europäischen Parlament zu Wahl vorgeschlagen werden.

Anders als etwa bei der Wahl des Bundeskanzlers, der nur mehr als 50% der Stimmen auf sich vereinen muss, kann es bei der Wahl des Präsidenten der Europäischen Kommission daher regelmäßig zu Pattsituationen kommen. Insbesondere die bevölkerungsstarken Länder wie Deutschland oder Frankreich können leicht einen Vorschlag verhindern, der im Parlament eine sichere Mehrheit gefunden hätte.
Durch dieses Wahlsystem ist die umfangreiche Abstimmung zwischen den Staaten – oder mit anderen Worten die Hinterzimmerpolitik – nahezu unumgänglich. Man könnte es schon fast als Glückfall bezeichnen, dass die Staatschefs sich so kurzfristig überhaupt auf einen Vorschlag einigen konnten.
Die mehrfach qualifizierten Mehrheiten stehen Wahlkämpfen mit Spitzenkandidaten daher massiv im Weg. Die Parteien können einfach nicht garantieren, dass selbst deutliche Mehrheiten für die Listen des Spitzenkandidaten hinterher auch zu seiner Wahl führen. Grundsätzlich wäre es daher durch das Wahlsystem geboten, auf die Nominierung von Spitzenkandidaten zu verzichten. Aber auch dies ist nicht so einfach. Die Wähler sehnen sich nach einer Personifizierung der Listen. Europa ist – nicht zuletzt auf Grund der komplizierten Strukturen – für die Wähler nicht greifbar. Der Effekt der eigenen Stimme kann vielfach nicht nachvollzogen werden. Ein Spitzenkandidat gibt der Wahl jedoch ein Gesicht. Die Kandidaten bilden die Projektionsfläche von Erwartungen, Hoffnungen aber auch eigenen Sympathien. Eine Partei die auf einen Spitzenkandidaten verzichtet, erleidet bei der Wahl deutliche Einbußen. Insbesondere in Deutschland haben nicht nur die Listen der Unionsparteien die Wähler für sich gewonnen, sondern auch die Person Manfred Weber.

Umso enttäuschter sind die Wähler natürlich am Ende, wenn ihre Wahl nicht mal dem Parlament zur Abstimmung vorgeschlagen wird.
Der Konsens im Europäischen Rat wird durch das Wahlsystem letztlich höher gehängt, als das Votum der Wähler. Das verärgert nicht nur die Wähler. Es distanziert sie auch von der EU.
„Der EU und ihren Institutionen wurde immer wieder vorgeworfen‚ abgehoben, undemokratisch und fernab vom Bürger zu sein. Die Einführung des Spitzenkandidatenmodells war ein kraftvoller Gegenbeweis“, kommentierte Marvin Barkanowitz, Vorsitzender des JU Kreisverbandes Borken den Grundgedanken. Und funktioniert habe er auch, schließlich konnte man unter anderem mit diesem Argument bei der Europawahl die Wähler endlich für eine Wahl und Europa begeistern, so Barkanowitz.
Nunmehr werden jedoch diese Bemühungen, die EU den Bürgern näher zu bringen und sie transparenter zu gestalten, durch das komplexe Wahlsystem mit mehrfach qualifizierten Mehrheiten zunichte gemacht.
„Das Europäische Parlament und damit die unmittelbare Partizipation der Bürger muss gestärkt werden. Das verwirrende System der mehrfach qualifizierten Mehrheiten gehört abgeschafft. Ein Kommissionspräsident, der die Exekutive Europas führt, muss wie jede Exektuvispitze alleine vom Parlament vorgeschlagen und gewählt werden.“ forderte der Bezirksvorsitzende Michael Dust.
„Für diese Wahl mag die Forderung zu spät kommen. Die Europäische Union ist jedoch gut beraten, die Bürger nunmehr über das verzwickte Wahlrecht aufzuklären und die notwendigen Veränderungen in Aussicht zu stellen, um sicherstellen zu können, dass das Votum der Wähler bei der nächsten Wahl in fünf Jahren seine Umsetzung finden kann“, so Christoph Aulbur, Mitglied des Bezirksvorstandes der Jungen Union im Münsterland.

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